Medien und Politik im Nahen Osten und Nordafrika

Der «Arabische Frühling» ist eng mit der Frage verknüpft, welche Rolle die «Medien» gespielt haben. Die Proteste, insbesondere zu Beginn, waren durch eine junge Generation getragen, welche internetaffin war und häufig soziale Medien benutzt haben. Vor allem soziale Medien waren deshalb von Anfang an im Fokus der journalistischen und wissenschaftlichen Beobachtung. Schnell hat sich jedoch gezeigt, dass auch «traditionelle» Medien wie das Fernsehen eine tragende Rolle gespielt haben, die Forderungen und Bilder der Protestierenden sowie die Reaktionen der Regierungen für eine regionale und globale Öffentlichkeit zu verbreiten.

Eine Vielzahl von wichtiger wissenschaftlicher Literatur hat seitdem aufgezeigt, dass zum einen soziale Medien in der Tat eine wichtige Funktion in der Mobilisierung der Proteste hatten (Herrera 2014[1]; Zayani 2015[2]), dass aber zugleich einen Resonanzraum geschaffen wurde, in dem «neue» und «alte» Medien sich gegenseitig verstärkt haben (Richter & El Difraoui 2015[3]; Kraidy 2016[4]; Lynch 2015[5]; Armbrust 2012[6], Farmanfarmaian 2021[7], Zayani & Mirgani 2017[8]).

Der Ansatz des Forschungsschwerpunkts in Bern unterstreicht die Wichtigkeit, Medien im Nahen Osten und Nordafrika (MENA-Region) nicht ausschliesslich anhand ihrer technologischen Funktionalität zu verstehen. Als übergeordnetes Ziel steht im Mittelpunkt einen Beitrag zu leisten, um die gegenwärtigen Strukturen zu kontextualisieren, in denen sich die Medienlandschaften insgesamt konstituieren.

Methodologisch verortet sich der Schwerpunkt dabei transdisziplinär an der Schnittstelle zwischen den Nahoststudien, der Medienwissenschaft, Politikwissenschaft, den Cultural Studies, der Anthropologie sowie der Geschichts- und den Wirtschaftswissenschaft. So werden einerseits die politischen und ökonomischen Systeme, welche die Medienlandschaft strukturieren analysiert. Gleichzeitig wird auch ein Schwerpunkt auf die alltägliche Nutzung der Medien durch Individuen und Gesellschaften gelegt. 

Der Forschungsschwerpunkt zielt auch darauf auf, die MENA-Region nicht monolithisch zu betrachten. Es soll den lokalen, regionalen, transnationalen und nicht zuletzt der Verortung im Globalen Rechnung getragen werden.

Neben den Mediensystemen in der arabischen Welt, ist auch die Türkei Teil der Forschung und Lehre.

 

Referenzen:

[1] Herrera, Linda. Revolution in the Age of Social Media: the Egyptian Popular Insurrection and the Internet. London: Verso, 2014.

[2] Zayani, Mohamed. Networked Publics and Digital Contention: The Politics of Everyday Life in Tunisia. Oxford: Oxford University Press, 2015.

[3] Carola Richter, Asiem El Difraoui. Arabische Medien. UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2013.

[4] Kraidy, Marwan M. The Naked Blogger of Cairo: Creative Insurgency in the Arab World. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2016.

[5] Lynch, Marc. "After the Arab Spring: How the Media Trashed the Transitions." Journal of Democracy 26, no. 4 (2015): 90-99

[6] Walter Armbrust (2012) A History of New Media in the Arab Middle East, Journal for Cultural Research,16:2-3, 155-174

[7] Farmanfarmaian, Roxane. Media and Politics in the Southern Mediterranean: Communicating Power in Transition after 2011. Abingdon, Oxon: Routledge, 2021

[8] Zayani, Mohamed, and Suzi Mirgani. Bullets and Bulletins: Media and Politics in the Wake of the Arab Uprisings. New York, NY: Oxford University Press, 2017.

Im Moment arbeiten wir an einer Reihe von Publikationen im beschriebenen Forschungsfeld:

  • “A War of Series”? Middle Eastern History between Competing Narratives in Turkish and Arab Television Dramas.
  • “A Revolution of Smiles? The Function of Humor in Algerian Media during the 2019-2020 Protests”, In: Handbook of Media and Culture in the Middle East (im Erscheinen). Hoboken, NJ: Wiley-Blackwell (International Association for Media and Communication Research Handbook Series).